Wahre Heilung braucht das - eine ganz persönliche Sicht auf die Dinge ♥
Ihr Lieben,
ich, Birgit Schäfers, möchte Euch ein bisschen aus meinem Leben erzählen und weiß, dass ich mich damit ziemlich “nackt” machen werde.
Ein in unserer Facebook-Community häufiger geposteter Text über den Schockzustand und die Traurigkeit junger Frauen über den Anblick ihrer Brüste, nachdem die Implantate entfernt wurden, gibt mir den Anlass, meine Gedanken und auch meine Erfahrungen einmal etwas ausführlicher zu “Papier” zu bringen.
Was ist passiert mit uns? Wo sind die starken Frauen geblieben, die früher in Gruppen zusammen Rituale gefeiert haben, die ihre Menstruation gefeiert haben, zusammen gekocht und altes Heilwissen ausgetauscht haben?
Wir wurden zu Frauen geformt, die sich mit allen anderen Frauen vergleichen, die jung und faltenfrei bleiben müssen, beste Arbeitskräfte, dabei aber liebende und sorgende Mütter, die immer zur Verfügung stehen sollen, die in Konkurrenz gehen, die ihren Zusammenhalt mit allen anderen tollen göttlichen Wesen, die wir sind, vergessen haben...
Wir werden so geprägt, damit ganze Industrien davon leben können. Faltencremes, Fitness-Studios, Solarien, Diätrezepte, Abführmittel, “Schönheits-OPs” in allen Bereichen, diese Liste wäre sehr lang, würde ich hier weitermachen....
Wichtig ist offenbar, dass wir uns alle “nicht genug” fühlen sollen. Nicht jung genug, schön genug, glatt genug, attraktiv genug, schlank genug, perfekt genug...
Das ist so traurig! Und es funktioniert.
Bei einer Diskussionsrunde in Mannheim zum Thema "Körperkult - Körperextreme" vor längerer Zeit, kam ein Arzt zu Wort, der die Selbstzufriedenheit - insbesondere bei Mädchen und jungen Frauen - untersucht und wie sich diese durch den Medieneinfluss verändert hat und weiter verändert. Vor mehreren Jahrzehnten waren das Wunschbild von jungen Mädchen und der tatsächliche BMI (Body-Mass-Index) noch relativ nah beieinander. Eine Grafik aus der Untersuchung zeigte, wie sehr sich das Schönheitsideal durch täglichen Medienkonsum stark verändert. Die Selbstzufriedenheit sinkt rapide, je mehr z.B. täglich Fernsehen geschaut wird. Und die Diskrepanz zwischen dem eigenen Schönheitsideal von jungen Mädchen und dem tatsächlich inzwischen durch-schnittlichen Body-Mass-Index wird immer größer.
Übersetzt heißt das, Mädchen wollen immer dünner werden, während die tatsächliche Bevölkerung immer mehr an Gewicht zulegt. Dies führt dazu, dass bereits junge Mädchen und Frauen zu immer drastischeren Mitteln greifen, um ihrem vermeintlichen Ideal näher zu kommen. Wir schlucken Abführmittel, es werden Rippen weg operiert, Mädchen verweigern die Nahrung oder erbrechen, gehen also in schwerste Essstörungen, wir legen uns unters Messer, lassen uns Fett absaugen, uns Narben zufügen, wir lassen uns Silikonpäckchen an den unterschiedlichsten Körperstellen einpflanzen, die uns langsam erkranken oder sterben lassen, im schlimmsten Fall. Wir lassen uns unsere Schamlippen umformen und kürzen. Die in Afrika gängige Genital-Verstümmelung, deklarieren wir als "barbarisch" und mangelnder Bildung - was für ein Wahnsinn - weil wir glauben, wir seien nicht ästhetisch genug. Für wen?
Denkt einmal darüber nach. Wie wenig wertschätzen müssen wir uns, um uns selbst so zu verletzen und zu so drastischen Mitteln zu greifen, um uns unserem Ideal näher zu bringen. Wir erliegen der Illusion, dass wir erst dann ein schönes und glückliches Leben haben können, wenn wir “perfekt” sind oder wenn wir “schöner”, schlanker, jünger... sind. Das ist traurig und anstrengend für so viele Frauen.
Ich selbst kann aus eigener Erfahrung erzählen. Ich bin seit Kleinkindalter essgestört - warum, ist an dieser Stelle unerheblich. Mein ganzes Leben lang war begleitet von tiefer Scham - einem sehr drastischen und einschneidenden Gefühl. Denn es lähmt und es nimmt dir jede Selbstachtung, jedes Selbstwertgefühl. Ich war dünn und dick, ich habe mein Essen erbrochen, bin in Fitnessstudios gerannt, hatte Gelfingernägel, war gepierct, wo es nur geht, habe mir Haut wegschneiden lassen, habe die größte “Schönheits-OP” machen lassen, was die Wundfläche angeht: die Bauchdeckenstraffung. Ich habe mir die Oberschenkel die Oberarme und die Brüste zweimal straffen lassen. Ich hatte 2 Jahre schlimmste Schmerzen, um dann 4 Jahre tatsächlich ein Gefühl von Freiheit zu empfinden in meiner Haut.
Aber um ehrlich zu sein, ist das keine Freiheit. Ich habe meinen Körper manipuliert, habe Störfelder durch die Narben, die andere Schwierigkeiten bereiten (können), habe in vielen Bereichen meines Körpers jegliches Gefühl und damit Lustempfinden verloren - was für ein irrsinniger Preis - und bin letztlich schwer krank geworden. Wirklich frei wäre ich in einem Körper, den ich lieben kann - egal, wie er aussieht.
Ich ziehe den Hut vor allen Frauen, die nur eine Brust oder keine haben und damit schwimmen und in die Sauna gehen, vor Frauen, die als Model arbeiten mit großflächig verbrannter Haut. Vor Frauen, die einkaufen gehen ohne Schminke im Gesicht und sich dabei wohlfühlen! Ich ziehe den Hut vor Menschen, die andere nicht bewerten nach ihrer Optik (ich kann das bei anderen Menschen - nur bei mir selbst ist es noch immer ein Prozess...).
Ich habe neulich mal einen Spruch gepostet “Ich liebe schöne Menschen - ihr Aussehen ist mir dabei völlig egal!” Wir Frauen sollten lernen, dies zu lernen! Andere Menschen und uns in ihrer Schönheit zu sehen, ob dünn, dick, alt, faltig, ob mit “Makel” behaftet...
Unser Wert liegt in unserem Wesen. Und so können auch optisch vermeintlich schöne Menschen hässlich sein. Unser Kopf weiß das, aber dennoch bewerten wir den ganzen Tag andere Menschen, und so tun wir es auch mit uns. Wir vergleichen uns und fühlen uns unzufrieden. Warum? Weil wir so geprägt werden. Weil damit sehr viel Geld verdient wird. Und weil wir das schwache Geschlecht sein sollen.
Spiegelbild versus Selbstwahrnehmung:
Meine Erfahrung in einer Spiegelbildgruppe möchte ich kurz erzählen: Wir waren ein paar junge Frauen. Eine der Übungen war folgende: wir stellten uns eine längere Zeit vor einen Ganzkörperspiegel und betrachteten uns selbst sehr eingehend. Dann bekam jede von uns eine große Papierrolle und sollte nun mit einem dicken Stift versuchen, die eigene Silhouette aufzumalen. Anschließend sollten wir uns auf diese gezeichnete Silhouette legen und siehe da: wir alle waren in unserer Selbstwahrnehmung viel kräftiger, runder, dicker, als wir es tatsächlich waren. Interessant! Ein Model mit Körpergröße 34 erzählte dort, dass sie bei Castings zu hören bekam, sie sollte aber bitte schon noch 1-2 kg abnehmen...
Noch eine kleine Geschichte aus meinem Leben:
Ich habe für einige Zeit in Indonesien gelebt - ich nenne das heute meine spiegelfreie Zeit. Dort gab es Holzbaracken und viel Natur, wo ich war. In den Häusern gab es so gut wie keine Spiegel. Ich war in Dörfern unterwegs und es gab kaum Schaufenster oder andere Spiegelflächen. Und dann hat sich etwas verändert in mir. Ich brauchte plötzlich keinen Föhn mehr und habe mich auch nicht mehr geschminkt. Ich konnte es ohnehin kaum sehen irgendwo und so habe ich angefangen, zu fühlen, wie ich mich fühle. Mir ist aufgefallen, dass ich sonst (in meinen schlimmsten Zeiten durch die Zahl auf meiner Waage am Morgen) immer erst in den Spiegel geschaut habe und dann gesagt habe, wie es mir geht. Sah ich meiner Ansicht nach schlecht aus, ging es mir schlecht. Sah ich gut aus, ging es mir gut. In Indonesien konnte ich das nicht sehen und so musste ich ins Spüren kommen. Fühlen, wie ich mich fühle. Fühlen, wie es mir geht. Ich machte mein Wohlbefinden endlich davon abhängig, wie ich mich fühlte, nicht was mein Spiegelbild mir zeigte. Und ich kann noch heute sagen, es war die glücklichste Zeit meines Lebens. Sie war so leicht und entspannt, weil ich nicht mehr diesem ständigen Drang hinterher rannte, gut aussehen zu müssen.
Ich habe in den letzten 30 Jahren viel zum Thema Körperarbeit, Selbstakzeptanz, Selbstwahrnehmung ausprobiert und erfahren. Ich war in Tantra-Gruppen mit Frauen, in Kuschelgruppen, war in einer Spiegelbildgruppe, bei Biodanza, habe Bücher gelesen, wie das Anti-Diät-Buch, Satt aber hungrig, Des Körpers neue Kleider.... meine Bücherregale sind voll davon. Ich habe unendlich viel getan, um aus diesem Vergleich und dieser Unzufriedenheit herauszukommen. Aus diesem Gefühl, “nicht genug” zu sein. Ich war immer aufgeweckt, war die Klassenbeste, hatte Freunde und Partner. Aber das war nie genug.
Immer war da dieses tiefe Gefühl der Scham in mir. Dieses gilt es zu heilen! Und das schafft kein Skalpell!
Was mir am Besten geholfen hat, war, mit Frauen Zeit zu verbringen, mit ihnen zu tanzen, mit ihnen Spaß zu haben, Körpererfahrungen mit ihnen zu machen, zu lachen mit ihnen, wieder näher zu rücken - dem göttlichen weiblichen Geschlecht. Vielleicht klingt es für viele zu spirituell, die sich noch nie tiefer mit diesem Thema befasst haben, aber es ist so wichtig, wenn wir heilen wollen. Heilen aus dieser Unzufriedenheit von uns selbst, heilen aus dieser Scham und diesem Gefühl, nicht “perfekt genug” zu sein. Spiritualität ist ein heilsamer Weg.
Schaut in die Herzen der anderen Frauen und seht ihre Schönheit - egal, wie sie aussehen. Dann wird es einfacher, unsere eigene Schönheit wieder wahrzunehmen, die völlig unabhängig von unseren Falten oder Silhouette ist.
Wir müssen uns nicht zu Püppchen und Mäuschen machen; wir sollten stolz sein auf unser Geschlecht.
Wir Frauen sind stark und schön - mit Falten, mit Hängebrüsten oder ohne, klein, dick, dünn, groß, alt, jung, blond, braun, rot oder schwarz...
Unser Kopf weiß das, unsere Herzen müssen es wieder lernen...
Birgit Schäfers, im Dezember 2019 und doch brandaktuell!
© Birgit Schäfers
Comments